Erläuterungen zum MINERVA-MPU- Vorbereitungskurs

Aspekt: Alkoholmissbrauch

Die Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung sagen dazu aus:

Da der Alkohol das bedeutsamste rechtlich und gesellschaftlich tolerierte Genuss-/Suchtmittel ist, sind begriffliche Abgrenzungen zwischen gesellschaftlich noch akzeptablem Alkoholkonsum und therapeutisch relevantem Alkoholmissbrauch schwierig.

Alkoholmissbrauch ist dann gegeben, wenn der Betroffene die Verkehrsteilnahme und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann.

Zudem ist bei rechtskräftig sanktionierten Wiederholungstaten ohne Berücksichtigung der Höhe der Alkoholkonzentration – also auch bei geringer Höhe der BAK oder entsprechenden Atemalkoholkonzentration AAK – im Sinne der Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung von Missbrauch auszugehen.

Der Bereich zwischen 1,3 Promille bis 1,6 Promille – ohne oder in Verbindung mit einer aktiven Verkehrsteilnahme – kann als Übergangsbereich, als „Grauzone“ gelten. Hier wird von einer „fortgeschrittenen Alkoholproblematik“ ausgegangen.


Hinweis

Bei einer fortgeschrittenen Alkoholproblematik ist es künftig weiterhin möglich, einen kontrollierten Alkoholkonsum zu haben. Natürlich war der Alkoholkonsum in der Vergangenheit als missbräuchlich zu bewerten. So können akut auftretende problematische Lebenssituationen (psychisches Trauma), zum Beispiel der Tod eines geliebten Menschen, die Diagnose einer unheilbaren Erkrankung, wirtschaftlicher und finanzieller Totalverlust durch Spekulation, oder nicht mehr nachgehen können der Arbeit durch Unfall, aber auch die Trennung bzw. Scheidung dazu führen, dass in dieser Zeit nicht nur die Alkoholtrinkmengen erhöht werden, sondern auch die Pausen zwischen den Trinkanlässen verkürzt werden.

Hier führte also die problematische Lebenssituation dazu, dass der Alkoholkonsum auf der Suche nach Ruhe, um Missstimmungen auszublenden und zur Betäubung, gesteigert wurde. Natürlich besteht hier eine nicht unerhebliche Gefahr, denn der Übergang ist schleichend, an einer Alkoholabhängigkeit zu erkranken.

Natürlich muss hier bereits in der Vergangenheit ein missbräuchlicher Umgang mit Alkohol stattgefunden haben. Das Erreichen von Werten zwischen 1,3 Promille und 1,6 Promille setzt eine erworbene Trinkfestigkeit voraus und kann nur durch eine stetige Steigerung der Trinkmengen (Training) erworben worden sein. Die Erklärung, wie es zu einer solchen Trinkfestigkeit gekommen ist, bestand in dem Wunsch, einen Rauschzustand zu erreichen.

Dieser Wunsch führte dazu, dass schrittweise die Trinkmenge gesteigert wurde, da bei wiederholtem Konsum dieselbe Trinkmenge, die ursprünglich zum Erreichen eines Rauschzustandes genügte, irgendwann nicht mehr ausreicht, um die ursprüngliche Wirkung auszulösen.

Es kam zu einer Häufung von Trinkanlässen. Hätten diese hinreichend lange auseinandergelegen, wäre der Effekt „Trinkfestigkeit“ nur langsam oder gar nicht aufgetreten.

Die Trinkmotivation war hier also nicht die Suche nach dem geselligen Schwips, sondern vielmehr der Spannungsabbau und das eher betäubende Berauschungsmotiv, das vorherrschte.

Daher sollte bei Auftreten von psychischen Problemen die Hilfe in Form eines Psychiaters in Anspruch genommen werden. Hier besteht einerseits die Möglichkeit, die vorliegende Problematik innerhalb einer Gesprächstherapie aufzuarbeiten, andererseits kann hier aber auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen.

Anders als bei einer Selbsttherapie mittels Alkohol und der daraus entstehenden Alkoholabhängigkeit, ist bei medikamentöser Behandlung der Lebensalltag weiter aufrechtzuerhalten und führt nicht zu Problemen innerhalb der Familie, zum Verlust des Arbeitsplatzes oder Ähnlichem.

Bei einer fortgeschrittenen Alkoholproblematik führten also ungünstige Lebensumstände zur Erhöhung des Alkoholkonsums. Nicht wie bei einer Alkoholabhängigkeit, bei der der Alkoholkonsum zu Problemen in den Lebensverhältnissen führte, wie zum Beispiel Trennung bzw. Scheidung, Problemen im sozialen Umfeld oder Verlust des Arbeitsplatzes.


Trunkenheitsfahrten und Verdacht auf Missbrauch

Wird im Straßenverkehr auch bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt – mit oder ohne Ausfallerscheinung – ein derartiger BAK-Wert festgestellt, wird hierdurch der Verdacht auf längerfristigen missbräuchlichen Umgang mit Alkohol nahegelegt. Es muss in einem solchen Fall ein vom üblichen Konsumverhalten abweichendes („abnormes“) Trinkverhalten vorgelegen haben.

  • der problematische Umgang mit Alkohol muss sich über einen längeren Zeitraum (Monate, eventuell Jahre) erstreckt haben
  • die physiologische Barriere wurde überschritten (kein Abbruch der Trinkhandlung infolge Übelkeit/Erbrechen)
  • die psychologische Sperre (kein Genuss-, sondern Wirkungstrinken)
  • die soziale Norm (erheblich mehr Alkohol pro Trinkepisode als von der überwiegenden Mehrheit im Tagesdurchschnitt konsumiert)

Alkohol und sein erstes Abbauprodukt (Acetaldehyd) sind stark wirksame Nervengifte, an die der Organismus nur schrittweise gewöhnt werden kann. Auch ein Wert von 1,0 Promille setzt daher bereits eine Alkoholgewöhnung/Toleranzbildung voraus. Gegen die Wirkung des Alkohols auf Nerven und Gehirn kann der Organismus erst nach und nach Kompensationsmöglichkeiten entwickeln.

Auch das in unserer Gesellschaft übliche „gesellige Trinken“ bis zu BAK/AAK-Werten von 1,0 Promille bis 1,3 Promille setzt eine Gewöhnungsphase voraus. Dieser Prozess erstreckt sich meist über Monate oder Jahre und bleibt weitgehend unbemerkt.

Der gesellschaftlich übliche Alkoholkonsum liegt dabei bei etwa 0,7 Promille. Bei der Überschreitung dieses Wertes liegt ein über das übliche Maß hinausgehendes Alkoholtrinkverhalten vor.

Sachlich angemessen erscheint also die Auslegung, dass kontrolliertes Trinken nur dann gegeben ist, wenn der Betroffene während des Alkoholkonsums und danach noch in der Lage ist, situationsangemessen und eigenverantwortlich zu handeln und sich auch am nächsten Morgen an die Geschehnisse erinnern kann.


Voraussetzungen für eine positive Prognose

War die Voraussetzung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben, so kann sie nur dann als wiederhergestellt gelten, wenn:

  • Das Alkoholtrinkverhalten ausreichend geändert wurde:
    • wenn Alkohol nur noch kontrolliert getrunken wird, sodass Trinken und Fahren zuverlässig getrennt werden können, oder
    • wenn Alkoholabstinenz eingehalten wird (zu fordern, wenn aufgrund der Lerngeschichte anzunehmen ist, dass kontrollierter Umgang nicht erreichbar ist).
  • Die Änderung stabil und motivational gefestigt ist, erkennbar daran, dass:
    • ein angemessenes Problembewusstsein vorliegt
    • die Änderung über mindestens 6–12 Monate erprobt und integriert wurde
    • die positiven Wirkungen erlebt werden
    • der Änderungsprozess nachvollziehbar dargestellt werden kann
    • eine eventuelle Persönlichkeitsproblematik erkannt und korrigiert wurde
    • äußere Bedingungen (soziales Umfeld, Beruf, Lebensverhältnisse) stabil sind
  • keine körperlichen Befunde vorliegen, die auf Missbrauch hindeuten

Alkoholmissbrauch außerhalb der Verkehrsteilnahme

Unabhängig von der Verkehrsteilnahme und insbesondere im Zusammenhang mit Rechtsverstößen gibt es auch Hinweise auf Alkoholmissbrauch außerhalb des Straßenverkehrs. Beispiele:

  • Straftaten unter Alkoholeinfluss
  • polizeiliches Aufgreifen im hilflosen Zustand (Volltrunkenheit)
  • gewalttätige Auseinandersetzungen im häuslichen Umfeld unter Alkoholeinfluss

Wer unter Alkoholeinfluss die Kontrolle über das eigene Verhalten verliert, gefährdet sich und andere. Ob dennoch Fahreignung bestehen kann, ist nur durch eine MPU zu beurteilen.


Alkoholmissbrauch Fahrrad

Alkoholmissbrauch ist auch gegeben, wenn unzulässig hoher Alkoholkonsum (≥ 1,6 Promille) im Zusammenhang mit dem Führen nicht motorisierter Fahrzeuge (z. B. Fahrräder) festgestellt wird. In diesem Fall wird durch eine MPU beurteilt, ob auch beim Führen von Kraftfahrzeugen eine Gefahr besteht.

Blutalkoholkonzentrationen ab 1,6 Promille, innerhalb oder außerhalb des Straßenverkehrs, legen eine chronische Alkoholproblematik nahe. In besonderen Fällen kann sogar das Führen von Hunden untersagt werden.

Quellennachweis: Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung, Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung/Beurteilungskriterien

Rechtlicher Hinweis: Weitere Informationen finden Sie bei SOS Verkehrsrecht .

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